Samurai-Residenz Kita-ke

An einem fast zu sonnigen Samstag machen wir uns auf in einen Ort mit dem unjapanisch klingenden Ortsnamen Menden. Dort verspricht der Japan Guide eine große Samurai-Residenz der Kita-Familie. Am Bahnhof angekommen finden wir uns am kleinsten Bahnhof wieder, der uns bisher in Japan begegnet ist. Die paar Leute, die hier aussteigen, verschwinden schnell in den Straßen oder werden abgeholt. Innerhalb von wenigen Minuten sind wir die einzigen Menschen weit und breit.

Die Mittagssonne brennt und wir haben keine Ahnung, wo es lang geht. Generation Smartphone hat nicht daran gedacht, die Karte vorher runterzuladen. Laut Reiseführer sollen es 1,5 km bis zum Samurai-Haus sein. An den Strommasten sehen wir im Silbenalphabet Hiragana (was wir im Gegensatz zu Kanji lesen können) den Namen "kita". So weit so gut, aber das gleiche Schild hängt in beide Richtungen der Straße. Wir entscheiden uns für eine Richtung und laufen los.

Als wir an der nächsten Kreuzung auspendeln wollen, wo es langgehen könnte, läuft ein Vater mit seiner Tochter an der Hand auf uns zu. Wir geben alles, um unser Vorhaben auf Japanisch zu schildern. Praktischerweise liegt der Kindergarten in der gleichen Richtung wie die Samurai-Residenz, so dass wir ihm ein Stückchen folgen können. Mit letzten Instruktionen, wie es danach weitergeht, finden wir tatsächlich die Residenz.

Gefunden!

Was wir bis dahin vermutet hatten, bewahrheitet sich: Wir sind die einzigen Besucher hier. Die Dame am kleinen Ticketschalter stattet uns noch mit Fächern aus, dann bekommen wir eine Privatführung durch die ganze Residenz, natürlich auf Japanisch. Die Details gehen leider an mir vorbei, aber die Freude und Begeisterung des Mannes für das Haus sind ansteckend. Zum Glück hat irgendjemand mal ein Info-Blättchen auf Englisch verpasst, so dass wir die Randinfos später nachlesen können.

Die Geschichte der Familie Kita reicht zurück bis in das 14. Jahrhundert. In der Tokugawa-Zeit (1603 - 1868) erlangte die Familie Kita sukzessive die Herrschaft über mehr als 100 Ortschaften, somit eine der reichsten und einflussreichsten Familien der Region. Das Verwalten ging zu der Zeit am besten mit Samurais, die für die Sicherheit der Herrschenden sorgten. Je mehr Dörfer, desto mehr Samurais. Daher rührt auch der Name des Hauses.

Verschiedene Eingänge je nach Rang des Ankommenden. Der Eingang für Ober-Samurais ist ganz hinten.

Das stattliche Anwesen liegt malerisch im Grünen. Durch ein großes Tor gelangt man zum Haus. Es verfügt über vier Eingänge, je nach Status der Samurai. Der Eingang für die hochrangigsten Samurai führt direkt auf den kleinen Schrein im Haus zu.

Daneben sind Ankleide- und Schlafzimmer. Der ausliegende Hakama hat natürlich die besten Zeiten hinter sich, aber vor allem die Größe erstaunt. Die Menschen müssen wirklich klein gewesen sein zu der Zeit. Hinter dem Samurai-Zimmer ist ein über eine versteckte Drehtür erreichbares kleines Zimmer für die Diener. Diese konnten dadurch versteckt die Lage überwachen und bei Gefahr schnell ins Zimmer, denn auch ein Samurai muss mal schlafen. In der angrenzenden Ecke des Hauses ist eine Art Bad, wenn die Bewohner mal für kleine Samurais mussten.

Ankleidezimmer der Samurais

Die weiten Gänge, die die Zimmer zur Außenwand hin säumen, sind nicht von ungefähr so geräumig gestaltet. Der Abstand ist so gewählt, dass ein angreifender Samurai sein Schwert durch die Wand stoßen kann, ohne jemanden im Gang zu treffen.

Flur mit einer Mattenbreite Sicherheitsabstand

Außerdem hat einer der Räume mit Blick auf das Eingangstor ein Holzgitter statt der sonstigen Papierwände. So lässt sich von innen sehen, wer sich nähert, aber umgekehrt nicht in das Haus schauen. Es gibt einige solche Eigenheiten im Haus, die der optimalen Verteidigung dienen. Mir bleibt allerdings schleierhaft, wie die Papierwände mit Sicherheit und Verteidigung zusammenpassen.

Eingangskontrollposten

Im hinteren Teil des Hauses sind weitere Wohnräume, wenig spektakulär. Sehr hübsch ist wiederum der kleine Garten im Innenhof des Hauses. Gedanklich gestalte ich die Räume schon nach meinen Vorstellungen um, denn es muss wirklich schön sein, dort zu wohnen.

Garten im Innenhof

Die Küche des Hauses ist schwer zu photographieren, der Rauch hat den ganzen Raum schwarzbraun gefärbt. Diese Patina schützt das Haus vor Insektenbefall und wird bis heute durch regelmäßiges Anzünden der Feuerstelle erhalten.

Küche

Das Haus wurde bis ins 20. Jahrhundert bewohnt. Ein Wohnzimmer mit Sesseln und ein uraltes Radio lassen erahnen, bis wann ungefähr.

Wohnzimmer

Als wir das ehemalige Samurai-Anwesen verlassen, ist das Personal wieder sich selbst überlassen. Schade eigentlich, wir würden dem Haus durchaus mehr Aufmerksamkeit wünschen. Vielleicht kann man die Ausschilderung noch optimieren. Uns hat der Ausflug ins beschauliche Menden auf jeden Fall gut gefallen!

3 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Hans-Martin Adorf am 18. September 2017 um 23:24

    Eine wunderbare, lebendige Schilderung Deiner Eindrücke, gewürzt mit kurzen Ausflügen in die japanische Geschichte. Es macht mir sehr viel Spaß, Deinen Blog zu lesen. Auch die Bilder sind sehr schön. Ich bin gespannt auf Dein Album.
    Viele Grüße von Hans-Martin

  2. Veröffentlicht von Tobi am 22. September 2017 um 0:18

    Gab es dort auch Katanas zu sehen? Hättest sicher ein paar Schwertübungen in authentischer Umgebung vorführen können 🙂

    • Veröffentlicht von katharina am 22. September 2017 um 0:26

      Nur sehr alte, rostige Schwerter. Den Griff hat in der Regel schon das Zeitliche gesegnet, daher eher schwierig zu halten 😉

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